Sonntag, 11. Januar 2009

Wochenrueckblick

Guten Morgen liebe Leserschaft, besser gesagt: in Deutschland ist es 17:08 Uhr.

In Waco ist es 10:08 Uhr, ich bin grad aufgestanden und schreibe parallel mit Rumsas. Nach knapp einer Woche Texas konnte ich schon umfassende Eindruecke gewinnen, von denen ich Euch hier erzaehlen moechte.

Beginnen wir am Anfang. Meinem letzten Video konntet Ihr ja schon die Hinfahrt entnehmen. Alles weitere hat dann reibungslos geklappt. Ich bin gut in Waco angekommen, habe mein Zimmer bezogen, etc. Die restliche Woche war dann von allen moeglichen administrativen Verpflichtungen gezeichnet. Ausserdem hatte ich die Gelegenheit die anderen internationalen und viele amerikanische Studenten, sowie die ein oder andere amerikanische bzw. texanische Eigenart kennenzulernen.

Everything is bigger in Texas! Dieses Sprichwort existiert wirklich und der Texaner schmueckt sich damit nicht ohne Stolz. Tatsaechlich trifft es auf nahezu alle Lebensbereiche dieses Bundesstaates zu:
* natuerlich der Bundesstaat an sich (Alaska mal ausgenommen),
* die Autos (wirklich JEDER faehrt hier einen Truck bei dem deutsche Umweltschuetzer auf die Barrikaden gehen wuerden),
* die Mahlzeiten (Texmax bezeichnet uebrigens die Kombination aus texanischer und mexikanischer Kueche, eine fatale Mischung angesichts der offerierten Mengen)
* wodurch auch der letzte Punkt geklaert waere: die Menschen. Gefuehlte 70% sind hier nicht uebergewichtig sondern einfach nur fett. Das krasse Gegenteil bilden die anderen 30%. Die sind so durchtrainiert, wie in Europa allenfalls Spitzensportler (der Gerechtigkeit halber muss ich sagen, dass mir von einem Australier zugesichert wurde, dass seine Landsleute prozentual gesehen deutlich fettleibiger als die Amerikaner an sich und sogar als die Texaner sind...)

Ich fuer meinen Teil habe beschlossen mich lieber der sporttreibenden Minderheit anzuschliessen. Wobei das auch falsch ist: Sport treibt hier eigentlich jeder nur gibt es einige, die dies extrem tun und andere, bei denen der woechentliche Termin im Gym die doch etwas unvorteilhafte Nahrungsaufnahme einfach nicht kompensiert. Ein weiteres Problem ist das Autofahrverhalten der Amerikaner. Waehrend sich der Durchschnittseuropaer allein im taeglichen Leben genug bewegt faehrt man hier wirklich ueberall mit dem Auto hin. Ein amerikanischer Professor erklaerte mir diese Marotte vor einigen Tagen so: der Amerikaner nimmt lieber das Auto und sucht 15 Minuten nach einem Parkplatz als einfach 5 Minuten zu laufen. Das mag sich ueberspitzt anhoeren, beschreibt das Phaenomen aber durchaus treffend.

Autofahren ist hier nicht einfach nur Mittel zum Zweck. Autofahren beschreibt den amerikanischen Lebensstil und die amerikanische Vorstellung von Freiheit zutiefst. Dies, und der ausgepraegte Drang besonders grosse Autos zu fahren, hat mich in der Annahme bestaetigt, dass die USA alles tun werden, um ihren Erdoelhunger zu befriedigen.
Dementsprechend duerfen wir uns auf ein turbulentes Jahrhundert einstellen!


Nach gut einer Woche kann ich alles in allem sagen, dass ich in keinster Weise enttaeuscht worden bin. Natuerlich haben sich einige Vorurteile bestaetigt und es ist fuer einen Mitteleuropaer durchaus befremdlich, wie dieses Land, mit einer kleinen Elite, einer ebenfalls kleinen Mittelschicht und einer grossen Masse an Benachteiligten so gut funktioniert.
Gestern war ich auf einem einem Spiel der Basketballmannschaft der Baylor Bears gegen die Texas Tech University. Selten habe ich ein so grosses Gemeinschaftsgefuehl erlebt, bei dem jeder irgendwie dazugehoerte und irgendeine Aufgabe hatte. In diesem Moment hatte ich das Gefuehl, dass wir zwar ein soziales Netz haben, das uns finanziell absichert und uns eine medizinische Versorgung gewaehrleistet (gerade letzteres ist fuer Millionen Amerikaner schlicht nicht vorhanden) wir aber nicht dieses Gemeinschaftsgefuehl leben, wir nicht von der Gesellschaft unterstuetzt werden, unsere Rolle in unserem System zu finden. Das mag sich verwirrend anhoeren, beschreibt aber ziemlich genau den Eindruck, den ich bei besagtem Spiel hatte.

Ein weiterer Punkt, mit dem ich mich diese Woche intensiv auseinandergesetzt habe, ist die Universitaet. Bei allem Hick Hack in Deutschland um den Bachelor (von wegen: Amerika als Vorbild) wird gerne vergessen wie das System hier funktioniert. Der Bachelor dauert in Amerika in der Regel vier Jahre (zum Teil auch gerne laenger). Dabei ist die erste Zeit als Studium Generale anzusehen, in der man sowohl geisteswissenschaftliche, naturwissenschaftliche als auch Sport- und Gemeinschaftsfaecher waehlt. Von einem verschulten System kann absolut nicht die Rede sein. Besonders beeindruckt bin ich von dem Dienstleistungsdenken, das sich durch alle Bereiche des Lebens zieht (sei es das Fast Food-Lokal oder eben die Universitaet). Hier hat man wirklich fuer alles Ansprechpartner. Bei jeder Frage und bei jedem Problem dass ich hatte, wurde mir in kuerzester Zeit von verantwortlicher Seite geholfen. Und wenn ich z.B. nicht wusste wen ich ansprechen muss oder zu einem etwas weiter entfernten Gebaeude musste, war es fuer jeden (auch Studenten), den ich um Rat fragte selbstverstaendlich sich fuer mich durchzufragen oder mich zu der betreffenden Stelle hinzufahren. Klasse!
Natuerlich sind die von den Amerikanern verwendeten Floskeln a la "hey how are you?" zum Teil sehr oberflaechlich. Dennoch muss ich sagen, dass mir selten so viele hilfsbereite und nette, zum grossen Teil auch ernsthaft an meiner Person interessierte Menschen, begegnet sind.

Ihr merkt, ich bin durchaus angetan. Come on, ich bin begeistert! Bei allen Eigentuemlichkeiten, bei allen Kritikpunkten (Todesstrafe, Krankenversicherung, etc.) hat Texas sehr viel zu bieten. Als ich noch in Deutschland war, hat mir meine Tutorin geschrieben: "You will be amazed by Texan hospitality!" Wie recht sie hat.

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